Vor 20 Jahren (11.09.2021) Freilegung/Teilwiederaufbau.....KLICK
Simultankirche allgemein
Ein "Simultaneum"
oder "Simultankirche" bezeichnet das gleichzeitige
Feiern eines
Gottesdienstes von
Katholiken und
Protestanten in einem Sakralbau. Es wurde
erstmals von der Obrigkeit der Kurpfalz am 29. Oktober 1698 eingeführt. Die
Reformierten mussten ihre Kirchen für den katholischen Gottesdienst öffnen. Die
Katholiken jedoch behielten ihre Kirchen für sich alleine. So erlangten die
Katholiken für 240 Kirchen ein Mitbenutzungsrecht.
Das Simultaneum wurde durch Erlass vom 29. März 1707 in der Kurpfalz wieder
aufgehoben.
Historisch einmalig entstand ein "Simultaneum
mixtum" in der Zeit von 1650 - 1850 in der Gemeinde
Goldenstedt im Kreis Vechta.
Der kleine Ort lag damals an der Grenze von zwei Herrschaftsbereichen mit
unterschiedlichen Konfessionen. Vechta-Münster war katholisch und
Diepholz-Lüneburg war evangelisch. Man traf sich in der Kirche zu einem
gemeinsamen Gottesdienst, der von einem katholischen Priester und einem
lutherischen Küster durchgeführt wurde
Im Jahre 1817 endeten die Zweiherrigkeit und auch das Simultaneum wurde 1850
nach dem Bau einer evangelischen Kirche beendet.
Von diesem historischen Ereignis wohl offensichtlich inspiriert verfasst der Schriftsteller Bern Kessens 1786 seinen Roman " Und an den Füßen eine goldene Uhr".
Buchbeschreibung über das Buch hier
Simultankirche (Friedenskirche) Friedrichssegen im Wandel der Zeit
Im Jahre 1888 findet im Kölsch Loch die Grundsteinlegung der Friedenkirche, einer Simultankirche, statt und wurde 1889 fertig gestellt und eingeweiht. Sie gehörte der Grubengesellschaft.
Friedrichssegen war hoch gestiegen und ist tief
gefallen. Um 1880 beträgt die Zahl der Einwohner ca. 554 Menschen, 1888 waren es
ca. 921. Die Hälfte der Bürger war protestantisch die andere katholisch.1870
fand der protestantische Gottesdienst in der damaligen Schule statt der
katholische in einem Beetsaal direkt neben der Schule.
In den Monaten des Sommers wurde einmal im Monat, im Winter zweimal die Messe
gelesen da die Pfarrer von außerhalb kommen mussten.
Den Friedrichssegner Bürgern war dies zu wenig und da der Wohlstand wuchs
beauftragte die Grubengesellschaft einen Wiesbadener Architekten mit dem Bau der
"Friedenskirche", einer Simultankirche für beide Konfessionen. Die
Kirche wurde gefördert vom Gustav Adolf Verein und Bonifatius Verein.
Die "Friedenskirche" hatte 3 Glocken mit den Inschriften:
1.Glocke
"Glück auf"
2.Glocke
"Zur Andacht rufe ich jede Konfession, denn jeder ist Gottes Sohn"
3.Glocke
"Mein Geläut Fried' bedeutet, dazu Segen aller Wege"
Alle 3 Glocken trugen noch die Inschrift:
"Gestiftet vom Consumverein zu Friedrichssegen,
gegossen von F.W. Rinker zu Sinn im Jahre 1888
Es war die Blütezeit des Ortes doch bereits 7 Jahre später wurde der Niedergang
spürbar und die Arbeiter begannen abzuwandern. Die letzte hl. Messe für die
katholischen Mitbürger fand 1912 und für die evangelischen 1917 in dieser Kirche
statt.
Am 16. Juli 1913 geht die Bergbau-Aktiengesellschaft Friedrichssegen zu
Friedrichssegen a. d. Lahn in Konkurs. Das Dorf veränderte sich mehr und mehr.
Man verkaufte alles was nicht Niet- und Nagelfest war um es zu barer Münze zu
machen.
Auch das Gotteshaus wurde nicht verschont und kam unter den Hammer. Die Chronik
sagt dazu: Glocken und Orgel kaufte Becheln, Kanzel, Altar und Bänke erwarb
Seelbach bei Nassau, den Ofen erstand Frücht, die Fenster kamen nach
Oberlahnstein.
Die Kirche verödete.
Bild: Stadtarchiv Lahnstein
Die einst so stolze Kirche vor der Sprengung im März 1937.
Links unten sehen Sie das heute noch vorhandene Haus, welches 1856 als
Lebensmittelgeschäft gebaut wurde.
Foto ©EmaeS
...und so schaut das Haus aus im Oktober 2005
1937 wurde die Friedenskirche "übungshalber" von Koblenzer Pionieren gesprengt.
Bild: Stadtarchiv Lahnstein
Pioniere der 2. Kompanie des Pionierbatallion 34,
Koblenz vor der Sprengung der Friedenskirche
Die neue katholische Kirche wird 1938 geweiht. Sie kostete 17.154 Reichsmark (RM), veranschlagt waren 17.000 RM. Sie wird heute von der Pfarrei St. Martin zu Oberlahnstein betreut.
Bericht Rhein-Lahn-Kurier 40/2012 - 75 Jahre Katholische Kirche Friedrichssegen
Die heutige evangelische Kirche in Friedrichssegen wurde neu gebaut im Jahre
1964/65.
1950 erhält die Neuapostolische Kirchengemeinde Friedrichssegen im alten Kutschergebäude der Familie Multhaupt (Autogarage) ihren neuen Gottesdienst-Versammlungsraum.
Foto ©EmaeS
Das alte Kutschergebäude um 1900 und im Oktober 2005
Simultankirche (Friedenskirche) Friedrichssegen Oktober 2005
Es ist der 10. Oktober 2005, ein warmer Spätsommertag, man kann
nur mit einer Jacke bekleidet durch die Wälder streifen ohne zu frösteln. Die
Sonne scheint, ein letzter Hauch von Sommer liegt in der Luft, umhüllt mit dem
Geruch des Herbstes in den feuchten Blättern. Es ist 15:30 Uhr und die
Sonne sinkt langsam dem Horizont entgegen.
Ich (Eva Schmidt -Lady of Glenmore) wandere durchs Friedrichssegner Tal, mir so
wohlbekannt aus Kindertagen... nur damals sah alles so anders aus und nichts ist
mehr wie es war. Die Natur hat sich zurückgeholt was einstmals ihr gehörte und die
wenigen noch vorhandenen Reste und Ruinen gnädig mit Blätterwerk und moderndem
Laub verdeckt. Meine
Gedanken reisen zurück in die Vergangenheit und ich kann wieder sehen was
einstmals noch war in den Jahren um 1959/1965. Es gab noch soviel mehr hier...
oder scheint es mir nur so... ich weiß es nicht genau... aber ich durchwandere
ein Stückchen Kindheit.
Heute bin ich auf der Suche nach den Resten der ehemaligen "Friedenskirche"...
Kirchen und Friedhöfe haben es mir nun mal schon immer angetan. Herr Christ
hatte mir heute morgen erklärt wo ich die Überreste der Kirche finden kann...
nahe der Eingänge zum "Heinrich-Stollen" und "Felix-Stollen" am ehemaligen
Direktorenhaus vorbei in den Wald hinein.
Und so mache ich mich auf den Weg durchs feuchte Gras, den Berg hinauf um zu finden was einmal eine Kirche war und heute vielleicht nur noch ein Mahnmal menschlicher Überheblichkeit ist. Es ist wunderschön in diesem Stückchen Wald durch das ich gehe, so friedvoll, so still, so weit weg von den lärmenden Lauten der Zivilisation... damals 1888/89, als die Kirche erbaut wurde, war das wohl anders... jetzt herrscht nur die Ruhe des Waldes und das Zwitschern der Vögel.
Ich entdecke das Hinweisschild kurz vor dem Direktorenhaus das auf den Weg zur Kirche hindeutet.
Das ehemalige Direktorenhaus ist immer noch bewohnt und eines der 5 Häuser die den Zerfall und Abriss überlebt haben und an ihm vorbei gehe ich den kleinen, schmalen Waldweg hinauf.
Wie schön dieser enge, ein wenig zugewachsene Waldpfad doch ist im langsam schwächer und goldener werden Licht der späten Nachmittagssonne. Voll Freude schaue ich dem Spiel der Lichter zwischen den noch grünen Blättern zu und folge weiter dem gewundenen Weg nach oben.
Erstaunlicherweise nicht außer Atem wegen der kleinen Steigung des Pfades, sehe ich nach einer Wegbiegung die Überreste der alten "Friedenskirche" vor mir liegen... und bin beeindruckt von der sanften Schönheit dieses kleinen Plateaus mitten im Wald.
Leider werden immer wieder Zeitzeugen zerstört die zu den letzten sichtbaren Fragmenten der Geschichte des Tales zählen. Auch die Reste der alten Simultankirche sind davon nicht verschont geblieben. Als Beispiel sehen Sie die beiden folgenden Bilder. Dieser Vandalismus ist mehr als traurig.
Hier sehen Sie nun eine Besonderheit des Friedrichssegner
Tals... diese Profilbacksteine sind in den Baujahren 1888/1889 eigens nur für
die Friedenskirche gebacken worden und sie haben die Maße 28 cm Höhe, 14 cm
Breite und 7 cm Dicke. Hier ist der Profilbackstein so abgebildet wie er bei der
Freilegung durch den Arbeitskreis Grube Friedrichssegen gefunden wurde. Ein
weiterer Stein befindet sich im Bergbaumuseum selbst und dort heißt er
"Mädchenstein".
Die Figuren dieses Steines haben noch eine spezielle Bedeutung gefunden im Tal zu
Friedrichssegen... wenn Sie sie erfahren möchten dann klicken Sie bitte auf das
nachfolgende Bild.
Foto ©EmaeS
Dieser Dachziegel der Friedenskirche ist erhalten geblieben
und heute zu finden im Bergbaumuseum Grube Friedrichssegen
Während der Freilegung der Grundmauern im Jahr 2000
Eine lange Weile verharre ich an diesem Ort, sehe mich um, entdecke noch eine Tafel mit Informationen und 2 interessanten Bildern,
Fotos ©EmaeS
Altarraum 1927 während der Nutzung als Sommerschule
Die schneller sinkende Sonne mahnt mich nach Hause zu gehen und nach einem letzten verträumten Blick auf diese Stätte christlichen Glaubens trete ich langsam den Weg zurück an. Etwas abseits fällt mir dieses Symbol der Vergänglichkeit noch ins Auge...
was für ein wunderbarer Platz für ein Gotteshaus... wie schade das es ihn nicht mehr gibt... wie tröstlich zu wissen das Gott keines Hauses bedarf... er ist überall' in jeder Blume, in jeder Pflanze, in jedem Tier und das ist mir heute hier wieder sehr bewusst geworden.
Ein später Schmetterling taumelt über meinen Weg... wohl auf der
Suche nach den letzten Necktartropfen der Blüten. Ich gehe wieder am alten
Direktorenhaus vorbei zur Straße zurück... nachdenklich und doch heiter... und
um eine schöne Erinnerung reicher...
©111005EmaeS