Die neue Schule 1929

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Fotos ©EmaeS
Die Schule von Friedrichssegen im Oktober 2005

In dieser Not kam plötzlich eine unerwartete Hilfe. Herr Reichsinnenminister Severing weilte Ende August zur Kur in Bad Ems. Lehrer Heep bat, als er dies erfuhr, Herrn Bürgermeister Dr. Weber sich wegen Reichshilfe mit Herrn Severing in Verbindung zu setzten. Er lehnte das für sich ab, ermächtigte Lehrer Heep dazu, gab als Sachverständigen Herrn Hoppe vom Stadtbauamt mit und riet ihm, sich der Vermittlung des Gewerkschaftsekretärs und Magistratsschöffen Lavet zu bedienen. Dieser brachte durch Telefonanruf eine Besprechung zustande, die zwischen Herrn Severing und den Herren Laveth, Hoppe und Leherer Heep im Kurhaus in Bad Ems stattfand.

Herr Minister Severing erklärte sich bereit, die Kolonie Friedrichssegen und insbesondere die Schulverhältnisse persönlich einzusehen, was 2 Tage später, Samstag den 1. September, geschah. Kurz nach 5 Uhr traf der Minister, begleitet von den Herren Laveth und Hoppe im Auto am Tagschacht ein, wo er von den Lehrern Heep und Schneider empfangen wurde. Er besichtigte darauf eingehend und mit viel Interesse die ganze Kolonie, u.a. einige Wohnräume in den städtischen Wohnhäusern am Tagschacht und im Zentralbüro, insbesondere aber den unglaublichen Zustand der Schule und der Lehrerwohnung im Kasino, die verwahrloste Kirche als Notschule und endlich den ganz ungenügendem Schulraum in der Neuen Welt. Die Führung im oberen Teile hat Herr Lehrer Heep, im unteren Teile Herr Lehrer Jährling übernommen.

Am Schulraum in der Neuen Welt fand die Besichtigung ihr Ende. Das Ergebnis für den Herrn Minister war erschütternd, wofür sein drastischer Ausdruck beim Abschiede ein Beweis war:" und daß ein Donnerwetter hineinfahren wird, darauf können Sie sich verlassen". Um diese Schulverhältnisse der Nachwelt zu erhalten, hat Herr Lehrer Schneider 4 Aufnahmen gemacht, deren erste das Kasino in "Reparatur" (Seite 298) zeigt und deren andere uns die "Waldschule" (Seite 305) sehen lassen. Hoffentlich hat uns der Besuch des Ministers die Wendung zum Besseren gebracht, so Lehrer Heep in der Schulchronik. In dieser Zuversicht habe ich meine Wahl in den Schulverband Bad Ems zum 1. November 1927 rückgängig gemacht. Die Folgen des Ministerbesuches zeigten sich eher, als man dachte.

Anfang November 1927 wurde mitgeteilt, daß Vertreter des preußischen Kultusministeriums unsere Verhältnisse besichtigen würden. Am 17 November fand diese Besichtigung statt. An ihr nahmen teil: Vom Ministerium die Herren Min.-Dirigent Dr. Wende, Min.-Rat Dr. Frank und Oberreg.-Rat Dr. Henschen, von der Wiesbadener Regierung die Herren Reg.-Direktor Gericke, Reg.-Rat Dr. Pank, die Oberreg.- und Bauräte Blümel und Poppendick, vom Kreise die Herren Schulrat Böhringer, Landrat Niewöhner und Kreisbaumeister Christe, vom Magistrat die Herren Bürgermeister Dr. Weber, Magistratsmitglieder Laveth, Sabelberg, Geil und Stadtbaumeister Höfer und die Lehrer Schneider, Jährling und Heep.

Die Besichtigung und anschließende Besprechnung verliefen teilweise sehr dramatisch, insbesondere wurden von Herrn Dr. Wende der Stadt ihre schweren Unterlassungssünden sehr scharf zum Vorwurf gemacht und schnellste Abhilfe zur Pflicht gemacht.

Noch am gleichen Tage wurde in einer eiligen Stadtverordnetensitzung der Schulneubau mit einer Mehrheit von einer einzigen Stimme beschlossen!!!

Nach allen Enttäuschungen der letzten Jahre sind wir doch jetzt froher Hoffnung. Während des Winter haben wir auch wieder Schulspeisung wie in den vergangenen Jahren, eine segensreiche Einrichtung für die armen Kinder im kalten Winter. Am 27. März 1928 schloß das an Ereignissen so reiche Schuljahr.

Das Schuljahr 1928/1929 begann am 10. April 1928 jedoch ohne Herrn Lehrer Schneider, der zwischenzeitlich nach Miellen berufen worden war. Für ihn übernahm Herr Lehrer Linn ab 25. April 1928 die Lehrtätigkeit in Friedrichssegen.

Durch die Stillegung der Multhauptschen Aufbereitung war es möglich, vor Beginn der Bauperiode noch den ursprünglich vorgesehenen Bauplatz auf der Reitbahn unterhalb der Neuen Welt zu erwerben. Ein idealer Bauplatz! Endlich am 6. Mai 1928 ist das Wunder geschehen!

Nach all den langen Ausschreibungen der Arbeiten hat die Baufirma Gebrüder Leickert - Oberlahnstein - eine Bauhütte errichtet und mit den Ausschachtungen begonnen. Also die neue Schule ist im Werden. Sie schritt fürder rüstig fort. Es sieht aus, als ob man die Versäumnisse der letzten Jahre durch doppelten Eifer wieder gutmachen wollte. Bereits am Tag vor den Sommerferien konnte der grüne, bandgeschmückte Baum als Zeichen des "Richtfestes" auf den First gesetzt werden. Das Richtfest wurde dann auch zur Freude insbesondere der Handwerker in ausreichender Weise bei Wirges im Saale gefeiert.

Es ist bestimmt damit zu rechnen, daß vor Anfang des Winters noch der Einzug in die neue Schule geschehen kann. Noch bevor die neue Schule fertiggestellt wurde, hat die Einwohnerschaft von Friedrichssegen den Antrag eingebracht anläßlich der Verdienste, die sich Reichsinnenminister Severing um den Bau der Schule in Friedrichssegen erworben habe, dieser den Namen Severingschule zu geben.

So zu lesen in der Rheinisch-Nassauischen Tageszeitung vom 7. September 1929. Herr Lehrer Jährling hat in sehr anerkennenswerter, fleißiger Arbeit vieler Tage den Anfang zu einer Schwimmanlage gemacht und ebenso einen Aussichtspunkt auf der Früchter Höhe erschlossen, den man seitdem "JÄHRLINGSKÖPFCHEN" nennt.

Zwischenzeitlich sind die neuen Lehrerwohnungen bereits fertiggestellt worden, sodaß der Umzug ins herrliche, neue Heim am 7. und 8. November 1929 vor sich gehen konnte. Was es heißt, eine anständige Wohnung zu haben, kann nur der ermessen, der in einer so schlimmen, wie im Kasino, hat 6 lange Jahre leben müssen schreibt Lehrer Heep in die Schulchronik.

Die Schulräume wurden etwas später fertig. Endlich kam auch die neue Einrichtung an und dann konnte am 17. Dezember 1929 die feierliche Weihe und Übergabe des Gebäudes geschehen. Es kamen viele Gäste, darunter auch einige, die hier immer wieder genannt wurden, wenn Verhandlungen zur Planung und zum Bau der Schule Friedrichssegen getätigt wurden.

Wie die Schulhaus-Einweihung in Friedrichssegen ablief, entnehmen wir dem Bericht der Rheinisch-Nassauischen Tageszeitung vom 18. Dezember 1929:

Wenn der gestrige Tag auch nicht gerade geeignet war, heitere Stimmung aufkommen zu lassen, für Friedrichssegen war es ein Festtag erster Ordnung. Der Schulneubau, um den die Friedrichssegener 9 Jahre gekämpft haben, ist fertiggestellt und gestern seiner Bestimmung übergeben worden. Trotz des stürmischen Wetters hatte sich neben einer Reihe geladener Gäste ein großer Teil der Bevölkerung Friedrichssegens eingefunden, um die bedeutungsvolle Stunde mit ihren Kindern, die klassenweise bei ihren Lehrern standen, mitzubegehen. Pünktlich um 3 Uhr erschienen vor dem Schulhaus, das idyllisch in einem Waldwinkel zwischen Bahnhof und Hütte liegt, die Gäste in Autos und Omnibus. Unter ihnen befanden sich Landrat Niewöhner, Kreisschulrat Böhringer, Kreisbau-meister Christe, Stadtverordnete der Stadt Oberlahnstein, Pfarrer Lehnhäuser von Braubach u. a. Bevor sich der Festzug von der alten Schule zur neuen bewegte, sang ein Schülerchor ein geistliches und ein Abschiedslied, während Herr Lehrer Eckhardt in einer Ansprache die Gäste begrüßte und die Notwendigkeit einer neuen Schule und den jahrelangen Kampf um sie darlegte. Dann zogen die Gäste, Schüler und Lehrer zu dem neuen Bau, der nunmehr dem ganzen Orte ein freundliches Gesicht verleiht. Der Übergabeakt vollzog sich wegen des stark einsetzenden Regens im Inneren des Schulhauses. Bürgermeister Dr. Weber erinnerte in seiner Ansprache an die langwierigen Vorarbeiten, die sich von wenigen Eingaben im Anfang zu umfangreichen Bänden entwickelten, bis schließlich nach verschiedenen verworfenen Projekten der Bau begonnen werden konnte. Wenn den städtischen Köperschaften der Vorwurf der Verschleppung gemacht worden sei, so sei das falsch gewesen. Die Stadt Oberlahnstein habe immer den guten Willen gehabt, aber die schwierigen Finanzverhältnisse ließen einen früheren Baubeginn nicht zu. Der Bau sei aber auch nur möglich gewesen, daß Oberlahnstein von der Regierung in Wiesbaden tatkräftig unterstützt worden sei. Minister Severing, der von der Notlage überzeugt war und in Berlin darauf gedrungen hat, daß geholfen werde, habe sich ein großes Verdienst um die Schule erworben. Dr. Weber sprach Landrat Niewöhner und dem Kreisschulinspektor Böhringer seinen Dank aus, insbesondere für den Zuschuß, ohne den der Bau nicht hätte erstellt werden können. Sein Dank galt vor allem auch dem Archtitekten Stadtbaumeister Höfer, für zweckmäßige und künstlerische Ausgestaltung des Baues und allen seinen Mitarbeitern, dem Bauherrn und den Handwerkern. Redner wandte sich dann an die Lehrer und beglückwünschte sie zu dem schönen Bauwerk. Gerade in dieser schwierigen Zeit sei es notwendig, die kulturellen Dinge mehr zu fördern als je. Es müsse alles getan werden, um die Seelen unserer Kinder zu hüten. In diesem Sinne, so führte Redner aus, darf ich Ihnen, meine Herren Lehrer, diesen Bau übergeben.

Nach Bürgermeister Dr. Weber sprach Landrat Niewöhner. Auch er hob die großen Schwierigkeiten hervor, die zu überwinden waren. Er sollte besonders der Regierung in Wiesbaden Anerkennung für die ihm geleistete Unterstützung. Minister Severing habe die letzten finanziellen Schwierigkeiten behoben. Mit Recht habe die Bevölkerung Friedrichssegens auf einen Schulneubau gedrängt und ich glaube, so führte Landrat Niewöhner aus, daß die Bevölkerung Friedrichssegens mit Freude erfüllt ist, daß ihre Kinder nunmehr in den schönen Schulräumen unterrichtet werden können.

Und zu den Kindern gewandt sprach er die Hoffnung aus, daß die Kinder diese Schule gerne besuchen und ihren tüchtigen und eifrigen Lehrern Freude bereiten mögen. Kreisschulrat Böhringer gab ebenfalls seiner Freude Ausdruck über den schönen Bau, der nunmehr den Kindern Friedrichssegens zugutekomme und wünschte, daß das Band zwischen Lehrer, Eltern und Schüler noch fester geschlungen werde. Redner beglückwünschte die Stadt Oberlahnstein und ihren Bürgermeister zu der Einweihung und überbrachte die herzlichsten Glückwünsche des Regierungspräsidenten. Er bewunderte die Lehrer, daß sie in den alten muffigen Räumen ohne Murren ihren schweren Dienst verrichtet hätten. Schließlich wünschte er, daß die Schüler Friedrichssegens den schönen Wandschmuck, den sie immer bessen hätten und den schönen Gesang, der im ganzen Kreise Anerkennung finde, mit in die neue Schule nehmen und pflegen mögen. Mit einem Ausspruchs Pestalozzis schloß Schulrat Böhringer seine Ausführungen. Lehrer Heep gab seiner Freude Ausdruck, daß nunmehr das hohe Ziel erstrebt sei, das er seit seinem Amtsantritt mit Eifer verfolgt habe. Er schilderte die Leidenszeit von Schüler und Lehrer in den alten Schulräumen und dankte zunächst dem Bauherrn, der Regierung in Wiesbaden, Herrn Kreisschulrat Böhringer, Herrn Landrat Niewöhner, der Gemeinde Oberlahnstein und allen, die sich um den Bau verdient gemachten haben.

Ganz besonderen Dank stattete der Redner Minister Severing ab, dem schließlich die rasche Vollendung des Baues zu verdanken sei. Aus Dankbarkeit werde die Schule im Schuleingang das Bild des Ministers anbringen lassen. Schließlich gab Lehrer Heep das Gelöbnis, weiter zu arbeiten zum Wohle der Schule. Und zu den Kindern gewandt, bat er diese, ihn und ihre Lehrer durch gutes Betragen, Fleiß und Aufmerksamkeit zu unterstützen. Schließlich gedacht der Redner noch des befreiten Lahntals und ließ seine Ausführungen ausklingen in einen vom gemischten Schülerchor vorgetragenen Befreiungslied.

Der offizielle Teil der Feier hatte damit sein Ende gefunden. Es folgte ein Rundgang durch die Schulräume, die neuzeitlich und zweckmäßig ausgestattet sind. Die Kinder erhielten zur Feier des Tages von der Schule Brezeln zum Geschenk. Im Anschluß an die Einweihung begaben sich die Gäste in das Bahnhofsrestaurant Wirges, zu einem internen gemütlichen Beisammensein, das einen recht harmonischen Verlauf nahm.

Daß diese neue Schule in Friedrichssegen erstehen konnte ist nur dem unbändigen Einsatz , der oft auch die Gesundheit leiden ließ, des Herrn Lehrer Hugo Heep zu verdanken. Es haben ja auch alle Redner Reichsinnenminister Severing gedankt, der wohl doch nur Kraft seiner Kompetenz allen beteiligten Stellen eine schnellere Gangart empfahl, daß letztlich und endlich die schlimmen Schulverhältnisse in Friedrichssegen beseitigt wurden.

Der neue Schulbetrieb läuft sehr befriedigend ab. Die Oberstufe (6. - 8. Schuljahr) wird von Lehrer Hugo Heep, die Mittelstufe (3. - 5.) Schuljahr von Lehrer Jährling und die Unterstufe (1. u. 2. Schuljahr) wird von Lehrer Emil Heep, dem Bruder von Lehrer Hugo Heep übernommen.

Weil für den 3klassigen Betrieb jedoch nur 2 Säle zur Verfügung stehen, liegt der Unterricht der Unterstufe nachmittags.

Leider ist in diesem Winter keine Schulspeisung eingerichtet worden. (Die Mittel fehlen).

Am 31. 3. 1930 schloß der Schuljahr 1929/1930, das uns die Erfüllung so vieler, alter Wünsche brachte.

Schuljahr 1930/1931:

Beginn des neuen Schuljahres am 1. April 1930. Am 22. August 1930 wurden die Reichsjugendwettkämpfe für den Nordteil unseres Kreises hier auf unserem Schulplatze abgehalten.Morgens 1/2 8 Uhr waren in den Schulsälen Gottesdienste für beide Konfessionen, anschließend begannen die Freiübungen unter Musikbegleitung, darauf die Wettkämpfe. Um 12 Uhr 30 waren die harmonisch verlaufenen Kämpfe beendet. Seit dem 1. September 1930 ist wieder allsonntäglicher Gottesdienst im Lehrsaal der Oberstufe, das erste Mal wieder seit 1925.

Der Gottesdienst wird abgehalten von Patres des Johannesklosters Niederlahnstein. Auch evangelische Gottesdienste finden, allerdings in größeren zeitlichen Abständen, durch Herrn Pfarrer Steinmetz - Frücht - statt.

In diesem Winter war wieder die Schulspeisung.

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