O. Dahm, Oberstlieutenant und Reichslimeskommisar, beschreibt in den "Bonner Jahrbücher" - Jahrbücher des Vereins von Altertumsfreunden im Rheinlande - im Heft Nr. 101 aus dem Jahre 1897 den "Römischen Bergbau an der unteren Lahn". In diesem Beitrag wird auch eingehend über den "Römischen Bergbau zu Friedrichssegen bei Bad Ems" berichtet.

Als der Verfasser die in Ausführung begriffene Reichlimesforschung die Untersuchung der Reste der römischen Grenzanlagen in dem im vormaligen Gebiete der Mattiaker gelegenen Landstriche zwischen Westerwald, dem Rhein und der Aar übernahm, erschien es angezeigt, dem durch Tacitus (Annalen XI. 20) für dieses Gebiet bezeugten Bergbau auf Silber eine besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden, da anzunehmen war, daß Erfolge in dieser Richtung Aufschlüsse auch über mancherlei andere wichtige Fragen bringen mussten.

Tacitus erzählt bekanntlich, daß unter der Regierung des Kaisers Claudius der Legat von Obergermanien, Curtius Rufus, im Gebiet der Mattiaker Schächte zur Aufsuchung von Silberadern eröffnet habe, die nur spärliche Ausbeute und nicht auf lange Zeit ergaben, und daß die Soldaten mit dem beschwerlichen Bergbau unzufrieden gewesen seien. Die betreffende Örtlichkeit suchte man bisher fast allgemein in der Umgegend von Wiesbaden, und zwar bei dem 7 Km nordöstlich davon gelegenen Dorfe Naurod. Diese Annahme konnte indes schon aus dem Grunde nicht zutreffend sein, weil mit Sicherheit durch geologische Aufnahmen -Beschreibung der Bergreviere Wiesbaden und Diez- herausgegeben von dem Königlichen Oberbergamt zu Bonn, 1893, festgestellt worden, daß im weiten Umkreis von Wiesbaden kein Silber vorhanden ist, vielmehr findet man in dem in Frage kommenden Gebiete dieses Metall - und zwar hauptsächlich in Verbindung mit anderen Metallen, besonders mit Blei, seltener in gediegenem Zustande - fast ausschließlich an der unteren Lahn, etwa zwischen Höhr und St. Goarshausen, wo es noch heute bergmännisch gewonnen wird (s. Übersichtskarte Seite 4).

Das Centrum dieser ausgedehnten Erzlager liegt auf der etwa 12 km langen Strecke Arzbach - Ems - Braubach, und zwar vorzugsweise in den Revieren der Emser Hütte und der Hütte Friedrichssegen, wo öfters auch gediegenes Silber gefunden wird; hier also war der Spaten anzusetzen. Dabei halfen dem Verfasser des Berichts die Herren Oberlehrer Dr. Bodewig, Oberlahnstein, die Generaldirektoren Heberle sen. und Heberle jun., Friedrichssegen, Herr Generaldirektor Linkenbach, Ems sowie Herr Bergverwalter Künsch aus Friedrichssegen und Herr Oberlehrer Hess, Ems.

Herr Generaldirektor Heberle von der Grube Friedrichssegen berichtet, daß man auch im Reviere der letzteren uralte Schlacken, Scherben und dergl. unter Umständen gefunden habe, die mit Sicherheit auf einen - im Sinne der Entwicklungsgeschichte des deutschen Bergbaues - prähistorischen Betrieb schließen lassen. Mit besonderer Freude lese ich immer wieder die nähere Ortsbestimmung der Grube Friedrichssegen. Herr Dahm schreibt dazu: Die Hütte Friedrichssegen liegt in einem nur 3 Km vom Rhein entfernten, mit diesem parallel verlaufenden, von hohen Felsen eingeschlossenen, engen Querthale der Lahn. Eine Besichtigung der am äußersten Ostende dieses Thales, 2 1/2 Km hinter dem Limes gelegenen Örtlichkeit (Planskizze 3, Seite 9) ergab zunächst, daß an einer Stelle, wo in historischer Zeit nachweisbar keine Verhüttung von Erzen stattgefunden, Schlacken lagen, die einen Bleigehalt von etwa 19 % aufwiesen, also einen solchen, wie er nur bei höchst primitivem Betriebe vorkommen kann, da bei dem heutigen Productionsverfahren ein Bleigehalt von höchstens 1/2 % toleriert wird. Weiter wurde ermittelt, daß man in unmittelbarer Nähe dieser - übrigens wiederum an einer Quelle gelegen - Stelle vor einigen Jahren (1884) bei der Anlage einer Baumschule altes Mauerwerk ausgebrochen habe, und es liegt wohl die Annahme nahe, daß dies Reste der Schmelzöfen waren, von denen die Schlacken herstammen. Kaum 400 m westlich davon befinden sich am nördlichen Bergabhange des Thales in einer Ausdehnung von etwa 350 m zahlreiche Spuren eines vorübergehend betriebenen antiken Bergbaues (Die Kölschen Löcher).

Der Hanauische Kammerassessor Cancrinus berichtet im Jahre 1769 darüber folgendes im Gutachten über den Bergbau im Amte Lahnstein (Idsteiner Archival-Akten): "An drei alten, aber sehr kurzen Stollen des Bergwerks, die mehr Tagstollen und Röschen, als Hauptstollen sind, an den alten Halden und dem höfflichen, zu Erz sehr schicklichen Gestein, sieht man immerhin so viel, daß die Alten in diesem Gebirge nicht blos geschürft, sondern wirklich gebauet haben, zugleich kann man aber aus ihren Stollen und den nicht zu großen Halden schließen, daß dieselben nicht allzu tief niedergekommen sein müssen. Der untere Stollen ist gegen 50 Grad in das Gebirge getrieben, wo man ein Gesenk, das bei 9 Grad tief sein soll, über diesem aber ein Überbrechen antrifft. An diesem Gesenk bemerkt man eine Weitung von 1/2 - 1 Lachter (1 Lachter = 2,092 m) und verschiedene alte Arbeit. In dieser Weitung müssen die Alten Erze gewonnen haben. Der mittlere Stollen liegt zu Bruch. In dem oberen Stollen (späterer Peter-Stollen) trifft man ca 20 Grad vom Mundloch, und dann in ungefähr 35 Grad, wo alte Arbeit ist, ein noch anderes 4'' mächtiges Trümmchen, welches nesterweis Blei und Silber führet. "

Von besonderem Wert sind ferner die nachstehenden Erläuterungen, welche Professor A. Schneider zur geologischen Specialkarte von Preußen, Blatt Ems, gibt: "Über das Historische des Bergbaues unseres Blattes ist zu bemerken, daß hier die ältesten Spuren desselben zu finden sind. Namentlich auf der heutigen Grube Friedrichssegen hat schon zur Zeit der Römer eine Erzgewinnung stattgefunden, wie man aus den in dem großen Pingenzuge (Kölschen Löcher) aufgefundenen altrömischen Münzen, Gefäßen und Gezähestücke schließen muß. (Das Auffinden römischer Münzen und Gefäße an dieser Stelle kann nicht mehr bestätigt werden, weil dieselben verloren gegangen sind. Nach einer bezüglichen Mitteilung des Professors Schneider und des Herrn Generaldiektors Heberle beruht diese Angabe auf Tradition unter den Hüttenbeamten." Da die Gangmittel in beträchtlicher Mächtigkeit und zum Teil edel zu Tage ausgingen, ist es erklärlich, daß sie so frühzeitig die Aufmerksamkeit auf sich lenkten. Auch viele kleine Schlackenhalden am Rande der Pingen deuten darauf hin, daß ein alter Schmelzbetrieb hier stattgefunden hat.

Diese letztere Annahme wird auch bestätigt durch den Umstand, daß Generaldirektor Heberle sen. um 1860 unweit des Pingenzuges die Reste eines uralten thönernen Schmelzofen fand, die später leider verloren gegangen sind. (Nach dem Hinweis 9 in der Planskizze, 3 s. Seite 9) handelt es sich bei dem Fundort um den alten Standort des Beamten-Kasinos im Kölsch Loch. Am interessantesten aber ist die wichtige Tatsache, daß sich zwischen dem oben erwähnten, an der Baumschule gelegenen Schlackenstelle und dem Pingenzuge, auf einer Terasse des nördlichen Thalabhanges ziemlich deutlich Walllinien erkennen lassen, die anscheinend einer Befestigung von beträchtlicher Größe - etwa für eine Cohorte - angehören, und zwar einer aus Erdwall und Graben bestehenden Lagerbefestigung, wie sie die Römer für den vorübergehenden Aufenthalt von Truppen zu errichten pflegten. Wenn gleich auch hier eine nähere Untersuchung nicht vorgenommen werden konnte, so steht doch schon nach dem oben mitgeteilten amtlichen Bericht des Kammerassessors Cancrinus fest, daß im Friedrichssegener Thal wiederum die sehr deutlichen Spuren eines staatlich betriebenen Bergbaues der Römer von erheblichem Umfange vorliegen und zwar eines Bergbaues, der in die Zeit vor Anlage des Limes fällt, denn eine größere Befestigung zur Sicherung dieses industriellen Etablissements wäre hier offenbar überflüssig gewesen, wenn bereits ein so ausgedehnter Grenzschutz bestand, wie wir ihn in den Resten der Limesanlagen mit ihren zahlreichen Castellen und Wachstationen kennen gelernt haben.

Weitere Spuren römischen Bergbaues wurden übrigens auch von den Herren Oberlehrer Dr. Bodewig, Oberlahnstein und Bergverwalter Künsch, Friedrichssegen, in der Umgegend von Braubach festgestellt. Wie aus dem Vorstehenden hervorgeht, befinden sich die auf den römischen Bergbau im Gebiete der unteren Lahn gerichteten Forschungen gegenwärtig noch in den Anfangsstadien; dessen ungeachtet ist schon jetzt eine Reihe interessanter Resultate zu verzeichnen, die kurz wie folgt zusammen zu fassen sind:

1. Die Örtlichkeit, an der unter Kaiser Claudius auf Silber gebaut wurde, liegt nicht, wie bisher allgemein angenommen wurde, in der Gegend von Wiesbaden, sondern an der unteren Lahn.
2. Die in Friedrichssegen aufgefundenen Reste römischen Bergbaues entsprechen hinsichtlich ihrer Lage und Beschaffenheit so vollkommen dem schon erwähnten Bericht des Tacitus, daß wir kein Bedenken tragen, dieselben mit der bergmännischen Thätigkeit der Truppen des Curtius Rufus in Verbindung zu bringen. Daß der dortige Betrieb ein sehr frühzeitiger war, kann keinem Zweifel unterliegen, denn abgesehen davon, daß dies - wie bereits bemerkt - durch die aufgefundene Befestigungsanlage als erwiesen anzusehen ist, wissen wir auch von Sachkundigen, daß dort Silbererze, mehr als irgendwo anderwärts, zu Tage lagen und wir müssen mit Prof. Schneider füglich annehmen, daß die Aufmerksamkeit der mit den Mattiakern in lebhaftem Verkehr stehenden Römer sehr bald auf diese Stelle hingelenkt wurde. Weiter ist durch fachmännische Untersuchung der betreffenden Lokalitäten constatirt, daß wir hier Spuren eines vorübergehenden, überaus beschwerlichen Hüttenbetriebes vor uns haben, bei dem die Wasserhaltung nur unter Aufbietung zahlreicher Arbeitskräfte (I.D.Engels schreibt 1808 in "Über den Bergbau der Alten in den Ländern des Rheins, der Lahn und der Sieg" von Sklavenarbeit) möglich war; ebenso steht nach Lage der Sache fest, daß die Ausbeute keine erhebliche gewesen ist und die Erzlager bald erschöpft waren. Man wird gegen diese Lokalisierung des von Tacitus erwähnten Bergbaues einwenden können, daß letzterer eine umfangreiche militärische Sicherung des betreffenden Gebietes voraussetze, während feststehe, daß zu Claudius' Zeiten das rechte Rheinufer in dieser Gegend noch nicht ocupirt gewesen sei.

Dieser Einwand ist allerdings im Allgemeinen wohl zutreffend, aber nicht in dem vorliegenden besonderen Falle. Abgesehen davon, daß das von tief eingeschnittenen Tälern und Felsenschluchten kreuz und quer durchzogenen Terrain für einen Bergbau, wie wir uns denselben nach dem Bericht des Tacitus vorzustellen haben, leicht gesperrt werden konnte und vermuthlich auch gesperrt worden ist, wissen wir von demselben Schriftsteller (Germ. 29), daß die Mattiaker im ersten Jahrhundert n. Chr. mit den Römern in dem gleichen Vertragsverhältnisse standen, wie die Bataver; sie waren frei von allen Lasten und Steuern und nur zum Kriegsdienst verpflichtet. Wie diese am Niederrhein, so bildeten jene am Mittelrhein die vorderste Grenzwacht gegen die Germanen und es ist einleuchtend, daß die Römer hier ohne Gefahr den Grenzstrom überschreiten und einen bergmännischen Betrieb aufnehmen konnten, bei dem es dem ehrgeizigen Legaten der Provinz anscheinend mehr auf seinen persönlichen Vorteil -ins besondere auf die Erlangung der ihm deswegen thatsächlich verliehenen Triumphinsignien - ankam, als auf den Vorteil des Staates.
Soweit der Bericht des Herrn Oberstlieutenant O. Dahm aus dem Jahre 1897.

Fast 100 Jahre später, 1995, wird zum "Vorindustriellen Bergbau im Rhein-Lahn-Gebiet" in den Bad Emser Heften Nr. 149/1 und 149/2 von Hans - Jürgen Sarholz festgestellt, daß neuere Untersuchungen ergeben haben, daß aufgrund des Berichtes des Herrn Oberstlieutenant O. Dahm anzunehmen ist, daß römischer Bergbau an der unteren Lahn und speziell im Friedrichssegener Tal stattgefunden haben könnte. Diese Feststellung wäre eine besondere archäologische Untersuchung wert, im übrigen aber geht man heute davon aus, daß die erste Phase des Abbaus, die Dahm bereits in der römischen Kaiserzeit vermutet, wohl doch der ersten Blütezeit des Bergbaus, dem 12. bis 15 Jahrhundert zuzuordnen sei, die zweite möglicherweise dem frühen 17. Jahrhundert. Dabei stützt man sich auf "Gesicherten römischen Bergbau in Deutschland", wie ihn Gerd Weisgerber in: Alter Bergbau, S. 55-62, beschrieben hat. Auf das untere Lahngebiet wird dabei kein Bezug genommen. Eine allgemeine gebührende Würdigung des unteren Lahngebietes, das als mittelalterliches Erzrevier in mehreren Königsurkunden belegt ist, ist in vielen einschlägigen Schriften auch nicht vorgenommen. Daher scheint es angebracht, sich auf vorhandene Urkunden zu stützen und den Friedrichssegener Bergbau mit dem Jahr 1220 als gesichertem Datum zu erwähnen. Wenn man nur wüsste, welcher Berg im Friedrichsegener Grubengebiet der Berg Diefendahl gewesen ist?

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